Liebeslyrik in unserer poesiefernen Zeit, geht denn das? Ja, es geht! Eine Reihe selbstständiger, starker Frauen hat es vorgemacht, unter ihnen Dagmar Fischer. Heute sind es „Beziehungen“, man nennt auch die Tätigkeit bei ihrem „Vogel“ – Namen, aber die Sehnsüchte, Glücksgefühle, Verletzungen, Treuebrüche und der Trennungsschmerz sind noch genauso Themen wie zu Zeiten der Droste.
Dagmar Fischer, auch Lyreley genannt, hat ein großes Plus: sie liest ihre Gedichte selbst und das wunderbar, mit einem Gespür für das richtige Timing. Es ist nicht zwingend, dass die lesende Lyrikerin gut aussehen muss, aber auch das hilft! In Performances und musikalischen Lesungen gelingt es ihr, die Gedichte den Zuhörern gleichsam „einzuschreiben“, man schätzt die kunstvollen Formulierungen und möchte gerne zu Hause nachlesen. Und so kam es, dass 4 ihrer 5 bisher veröffentlichten Lyrikbände bald vergriffen waren. Nun hat sie einen Auswahlband aus 25 Jahren vorgelegt. Es sind empfindsame lyrische Gebilde, die in diesem Band versammelt sind. Doch viele haben „einen Sprung in der Schüssel“, so dass aus dem Schönklang unversehens ein dumpfer Ton entsteht, der die Himmelstürmer durch eine unvermutet einsetzende kunstlose Alltagssprache auf die Erde zurückholt.
Besonders berührend das Gedicht „Nach dem Besuch von Auschwitz oder jeden Morgen beim Bürsten meiner Haare“ Es geht um Berge von Haaren, Schuhen und Koffern und erst die Lakonie der letzte Zeile „Dann putze ich mir die Zähne“ macht das Grauen vollständig.
Dagmar Fischer, Jahrgang 1969, hat Jus studiert und Sport, und sie hat im universitären Bereich und als AHS Lehrerin gearbeitet. Das bedeutet: sie hat Lebenserfahrung. Dem Thema Liebe gleichwertig zur Seite gestellt ist das Thema Politik, nicht als Tagespolitik zu verstehen, sondern als Sorge um die Gemeinschaft, um die Schwächeren, die auf der Strecke bleiben, um Widersprüche und Grausamkeiten in der Rechtsprechung und bei der Polizei.
Ein kleiner Appetithappen, willkürlich herausgegriffen aus dem schönen Gedichtband: